Ich erinnere mich bestens an dieses harte, eintägige Assessment. Als junge Leiterin der Internen Kommunikation eines Schweizer Energiekonzerns sollten meine Führungsqualitäten auf Herz und Nieren geprüft werden.

Es war streng. Gleichwohl ging ich die anspruchsvollen Aufgaben an diesem Tag voller Selbstvertrauen an. Es lief rund. Ich wusste: Ich kann das!

Bis zu diesem Punkt, irgendwann am Nachmittag. Meine Selbstsicherheit war wie weggeblasen. Mir war klar, dass ich ausgerechnet bei diesem Teil vollkommen versagt hatte: Das schwierige Mitarbeitergespräch hatte mich aus der Bahn geworfen.

Alles andere als «souverän»

Im Rollenspiel hatte ich einer Mitarbeiterin mitteilen sollen, dass ich sie aufgrund mangelnder Leistungen in eine andere Abteilung versetzen würde.

Die Mitarbeiterin des Assessment-Teams spielte ihre Rolle im Gespräch gut: Sie war widerspenstig, sie war trotzig, sie war unzufrieden. Währenddessen pendelte ich in meiner Rolle als Vorgesetzte hin und her: Einerseits blieb ich bei meinem Entscheid und versuchte ihr diesen zu erläutern. Andererseits zeigte ich Mitgefühl und Verständnis für ihre Situation. Sie tat mir leid! Ich fühlte mich stellenweise genauso hilflos wie sie.

Ich war alles andere als souverän aufgetreten. Das war in die Hose gegangen.

Es ist IMMER stark, Mitgefühl zu zeigen

Am Ende des Tages teilte mir der Leiter des Assessments mit, dass ich bei einer Aufgabe besonders brilliert hätte. Ich tappte im Dunkeln. Und konnte es kaum fassen: Er gratulierte mir zu eben diesem Mitarbeitergespräch!

Ich hätte beim Führen des «schwierigen bilateralen Gesprächs durch gutes Zuhören geglänzt», könne «andere Menschen sowohl auf der rationalen als auch emotionalen Ebene erreichen». So stand es auch im abschliessenden Bericht.

Seit dieser Erfahrung weiss ich, dass der Satz «Gefühle haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen» rundweg falsch ist.

 

«Gefühle haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen»: Blödsinn!

Ich habe seit diesem denkwürdigen Assessment immer wieder erfahren:

Es hat NIEMALS mit Schwäche zu tun, Mitgefühl zu zeigen! Es ist NIEMALS daneben, menschlich zu sein! Es ist IMMER stark, als Führungskraft wohlwollend und wertschätzend mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kommunizieren.

Zeig, was du fühlst! Sprich darüber. Sei transparent. Sei du selbst. Und du wirst anderen auf Augenhöhe begegnen. Alles andere ist nicht authentisch. Denn wir sind alle Menschen. Gleichwertig und ebenbürtig!

Mehr zu authentischer Führung findest du auch in meinem Blog „Authentizität – die Voraussetzung für gelassene Kommunikation“