Meine nächtlichen Gedankengänge haben mich heute zur – womöglich gänzlich sinnlosen – Frage geführt, inwiefern die Worte “Haupt” und “kaputt” zusammenhängen.

Im Lateinischunterricht habe ich gelernt, dass das “Haupt” auf das lateinische caput (= Haupt, Kopf) zurückgeht. Und “caput” ist doch gleichsam identisch mit “kaputt”, oder?

Laufen wir – sprachlich gesehen – alle mit kaputtem Kopf herum? 

Ich sehe ein, dass es auf dieser Welt Dringlicheres gibt, als sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Auf der anderen Seite bringt vielleicht auch sie – bzw. mögliche Antworten darauf – Licht in ein paar dunkle Ecken.

Meine Recherchen zur Herkunft der beiden Worte haben also Folgendes ergeben:

Ich fasse es nicht!

Tatsächlich lassen sich die meisten Formen von Haupt (*) auf lat. caput (= Haupt, Kopf) sowie auf das altindische kapalam (= Schale, Hirnschale, Schädel) zurückführen. Caput und kapalam wiederum scheinen der indoeuropäischen Wurzel *kap- für ‘fassen’ zu entstammen. Diese Wurzel erscheint mehrfach in Wörtern für Gefässe.

Für Haupt ist also als Ausgangsbedeutung ein “schalenförmiges Gefäss” anzunehmen.

Für die Begriffe “Ich fasse es (nicht)” und “Ich kapiere es (nicht)” erschliesst sich damit eine sehr fassbare Bedeutung: Wenn wir etwas fassen oder kapieren, füllen wir damit unseren schalenförmigen Kopf – es geht uns “in den Kopf”, oder eben nicht.

Eine ähnliche Entwicklung liegt übrigens auch für das Wort Kopf vor, das vom lateinischen cuppa abstammen soll. Dieses bedeutet “Becher” – ebenfalls ein schalenförmiges Gefäss. Das französische und italienische Wort für Kopf – la tête bzw. la testa – leiten sich offenbar wiederum vom lateinischen testa für ‘Gefäss, Schale, Scherbe‘ ab.

kaputt: Kartenspiele und Dreissigjähriger Krieg

Wie steht dies alles nun im Zusammenhang mit kaputt?

Die Erläuterungen zu kaputt im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) muten etwas diffus an. Sie beziehen sich auf den Dreissigjährigen Krieg, in dem die Wendung caput machen für ‘zerstören, erschlagen, töten‘ offenbar dem französischen faire quelq’un capot entlehnt wurde. Letzteres heisst so viel wie “jemanden schwarz spielen” oder “gänzlich besiegen”. Denn capot ist ein Ausdruck aus dem Kartenspiel für ‚ohne Stich sein‘ oder ’schwarz sein‘.

Der Kreis zum Haupt schliesst sich, indem capot wohl auf das spätlateinische cappa zurückzuführen ist, das eine Art Kopfbedeckung bezeichnete, auch “Mantel mit Kapuze” (caput – Kapuze). Dazu das DWDS: “Man (…) deutet den Ausdruck als sprachliches Bild, das eine Person durch einen über Kopf und Gesicht gezogenen Kapuzenmantel als ‘handlungsunfähig’ erklärt.”

 

Zusammenhang zwischen Kopf und kaputt auch im übertragenen Sinn?

Als banale Schlussfolgerung aus obigen Herleitungen könnten wir also ziehen:
Wir sind kaputt, wenn wir unserem Kopf eine Kapuze überziehen.

Und: Die Worte Haupt, Kopf, und kaputt (ebenso wie Kapuze, Kappe etc.) scheinen alle auf die lateinischen Begriffe caput, cuppa oder cappa zurückzugehen. Diese wiederum bezeichnen alle ein schalenförmiges Gefäss, dem unser Schädel in der Form entspricht.

 

Nun ist es ja so, dass ich gerne hinterfrage, indem ich Fragen stelle, “in Frage” stelle. Ich frage mich also:

  • Kann es sein, dass die Verwandtschaft zwischen Haupt (caput) und kaputt offensichtlicher und direkter ist als oben hergeleitet?
  • Sind caput und kaputt nicht einfach die gleichen Worte?
  • Könnte das bedeuten, dass so manches “kaputt” wird, wenn wir nur vom Kopf ausgehen?
  • Machen uns allenfalls Hierarchien mit einem Kopf an der Spitze “kaputt”?
  • Macht es uns kaputt, wenn wir uns bei Entscheidungen nur vom Verstand statt von unseren Gefühlen und unserem Herz leiten lassen?
  • Ist dies mehr als eine rührige Mutmassung, sondern vielmehr ein bewusst in unsere Kultur eingeführte Reduktion unseres menschlichen Wesens auf die Ratio, um letztlich unser ganzes Wesen einzuschränken, klein zu halten – kaputt zu machen?

 

Gibt es Fragen, die DU dir stellst, und die in dieser Liste nicht vorkommen?

Wie immer verstehe ich diesen Beitrag als Gedankenanregung, ohne feste Schlüsse daraus ziehen zu wollen. Falls du für dich eine stimmige Erklärung findest oder weitere Gedanken dazu auftauchen, lass mich und uns gerne auf meinem Telegram-Kanal daran teilhaben!

 

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* Die Ableitung von Haupt auf caput gilt gemäss DWDS vor allem für die Formen mit einfachem Vokal in der ersten Silbe (germanisch *habuþa-, altenglisch hafud, oder altnordisch hǫfuð). Schwieriger ist dies offenbar bei den Formen mit Diphthong – also einem Doppellaut aus zwei verschiedenen Vokalen – in der ersten Silbe (Haupt, englisch head, germanisch *haubiþa- und viele mehr). Hier geht man von einer rein lautlichen Entwicklung innerhalb des Germanischen oder einer Verquickung mit Bildungen wie “Haube” aus, die dann auf eine andere indoeuropäische Wurzel schliessen lassen. 

Erläuterungen zu Haupt im DWDS / Erläuterungen zu Kopf im DWDS / Erläuterungen zu kaputt im DWDS