Die Situationen muten harmlos an. Ja, sie laden gar zum Lachen ein. Alltagsslapstick, sozusagen:
Hier die Mutter, der etwas Marmelade auf die frisch gewaschene weisse Bluse tropft – und ihr jugendlicher Sohn, der dies grinsend mit “Blondine, halt!” kommentiert.
Hier der Ehemann, der auf der kurvigen Strasse möglichst viele vor ihm fahrende Autos in möglichst kurzer Zeit überholt. Seiner Frau auf dem Beifahrersitz ist unwohl, sie hält sich überall fest und bittet ihren Mann, gemächlicher zu fahren. Sie haben ja Zeit. Doch da gelingt kurz vor der nächsten Kurve das nächste Überholmanöver. Ha, geschafft! Der Mann und die Kinder kreischen vergnügt und klatschen sich ab.
Oder da der Mann, der die Frau, die ihn interessiert, zum ersten Mal bei sich zu Hause bekocht. Zum Hauptgericht gibt es selbstgemachte Tagliatelle und den Satz “Wenn du brav aufisst, gehen wir zur Belohnung anschliessend noch in den Ausgang.”
Der schmale Grat zwischen einem Augenzwinkern und Herablassung
Ich liebe es auch zu lachen, besonders über mich und meine Missgeschicke. Ich kenne den Reiz des schnellen Autofahrens aus eigener Erfahrung, und mein Herz geht auf, wenn ich an die Zeit mit meinen englischen Freunden und ihre vielen Sprüche zurückdenke.
Doch: Der Grat zwischen witziger Bemerkung und herablassendem Verhalten ist schmal.
Die Grenze wird dort überschritten, wo jemand auf Kosten anderer lacht, wo Mitgefühl offensichtlich fehlt und wo ich einen Menschen herabsetze. Oft entstehen solche Äusserungen aus Unsicherheit und mangelndem Selbstbewusstsein heraus. Doch das macht sie auch nicht besser.
Und fast immer – die männlichen Leser dieses Blogs mögen mir verzeihen – geht diese Art von verdrehtem Humor von Männern aus und richtet sich an eine Frau.
Gute Miene zum bösen Spiel
Die Frau wiederum spielt allzu oft mit. Sie ringt sich ein Lächeln ab. Schliesslich will sie nicht als Spielverderberin oder humorloser Mensch dastehen. Würde sie ihren Unmut, ja ihre Verletztheit zeigen, riskierte sie die gefürchtete Frage “Warum bist du denn so empfindlich?” oder “Was ist denn los mit dir?”.
Es gibt keinerlei Chance, eine solche Frage zufriedenstellend zu beantworten – weil es keine Frage, sondern ein Urteil ist. Jeder Versuch, darauf eine Antwort zu geben, wird lediglich den Eindruck zementieren, dass sie keinen Spass versteht.
Also setzen Frauen und Mütter die berühmte gute Miene zum bösen Spiel auf. Ihre Empfindungen sind ohnehin oft zu subtil, um sie in Worte zu fassen. Es ist da nur dieses vage Gefühl, nicht adäquat behandelt worden zu sein. Vielleicht redet sie sich sogar selber ein, dass sie nur deshalb so verletzt ist, weil sie einen schlechten Tag erwischt hat.
Es hat auch bei mir sehr lange gedauert, bis ich Szenen wie obige mit anderen Augen betrachten konnte. Bis ich erkennen konnte, dass sie schlicht erniedrigend sind.
Medien und Filme machen Erniedrigung salonfähig
Dabei ist die Erniedrigung von jenen, die sie verursachen, beileibe nicht gewollt! Medien und Filme stellen Momente mit Schenkelklopf-Humor schliesslich als normal, als witzig dar. Würdelose „Memes“ werden breitflächig in den sozialen Medien geteilt (gib im Internet nur „Memes Mann Frau“ als Suchbegriff ein, und du weisst, was ich meine). Wie soll Mann da ahnen, dass er mit seinen flapsigen Bemerkungen eine heilige Grenze überschreitet?
Erst gestern haben wir in der Familie wieder einmal einen Filmabend gemacht. Als grösster gemeinsamer Nenner haben wir eine Komödie mit Til Schweiger und anderen Stars des deutschen Kinos angeschaut. Ein skurrile Szene reihte sich an die andere, sämtliche Rollenklischees wurden bedient. Ob Mann oder Frau: Alle wurden lächerlich gemacht.
Der Film sorgt mit seiner Situationskomik durchaus für amüsante Momente. Doch diese gehen auf Kosten dessen, was eine Frau – und im Übrigen auch einen Mann – im Kern ausmacht. Sowohl das heilige Weibliche als auch das heilige Männliche bleiben gänzlich auf der Strecke. Hauptsache, wir können wieder einmal brüllen vor Lachen!
Ich ging geleert und kopfschüttelnd ins Bett. Unsere Tochter war schon nach wenigen Minuten davongelaufen. Ihr war das alles zu peinlich.
Von Generation zu Generation vererbte Unbeholfenheit
Für mich ist erkennbar, dass die Verunglimpfung der Frau und gleichermassen die Verwirrung von Männern in den Medien System hat. Ich spreche dabei nicht einmal vom offen geförderten Sexismus und Reality Shows (?!) à la “Der Bachelor”.
Nein, ich spreche von der Darstellung scheinbar harmloser Alltagsszenen und der damit verbundenen Popularisierung von herablassender Kommunikation.
Ganze Generationen von Männern wachsen so heran, die das Weibliche kontinuierlich vom Sockel holen, statt es zu ehren: Sie haben bei ihren männlichen Vorbildern nie gelernt, was erhabene Weiblichkeit ist – wie sie der Königin in einer Frau auf Augenhöhe begegnen, respektvoll, sanft und, ja, galant.
Wie auch? Das eigentliche Verhängnis liegt darin, dass sie genauso wenig gelernt haben, ihren eigenen Wert zu erkennen, sich selbst zu lieben und ihren Gefühlen authentisch Ausdruck zu verleihen.
Die Zerstörung der heiligen Weiblichkeit hat System
Im Alltag hangeln sie sich dann etwas hilflos von einem Spruch zum nächsten. Ihre Art, Zuneigung zu zeigen, besteht darin, die Frau auf die Schippe zu nehmen. Im schlimmsten Fall fehlt selbst dies, und es finden irgendwann beide kein gutes Haar mehr am anderen.
Die Jungs beginnen derweil früh damit, ihre Väter zu imitieren. Zur Belohnung ernten sie von diesen ein “Gimme five” für jeden Witz und originellen Kommentar auf Kosten der Frau. Sie fühlen sich gut und solidarisch in ihrem Männerbund. Die Konditionierung ist perfekt.
Wie erwähnt, das alles hat System: Ohne Zerstörung der Weiblichkeit wäre das fehlgeleitete Patriarchat und die Gesellschaftsordnung, wie wir sie heute haben, niemals möglich gewesen. Wir alle haben dabei kollektiv kräftig mitgewirkt. Um nun zu erkennen, in welche Richtung wir dies korrigieren dürfen.
Die zur Magd degradierte Königin
Bislang jedoch ist es so, dass die Frau innerhalb ihrer Famlie allzu oft von der Königin zur Magd wird.
Eine Magd, die irgendwann nur noch zwei Möglichkeiten hat:
Entweder sie macht das Schauspiel mit, schluckt alles mild lächelnd herunter und bleibt frustriert zurück. An diesem Punkt nimmt sie nur mehr mechanisch am Familienleben teil und zieht sich emotional zurück. Oder sie beginnt, selbst zu nörgeln. Nicht selten kommt es vor, dass sie selber abschätzige Bemerkungen über andere Frauen macht.
Oder sie erhebt irgendwann wieder ihr Haupt und steht für sich ein. Vielleicht ist eine Kehrtwendung dann noch möglich. Vielleicht ist aber auch so viel Geschirr zerschlagen, dass sie geht. Und alle fragen sich, wie es so weit hatte kommen können: “Sie hatten doch eine gute Beziehung?!”
Das Weibliche ehren hat nichts mit Feminismus zu tun
Ich bin eine Frau. Und als solche wünsche ich mir, dass wir uns wieder darauf besinnen, dass das Frausein – ebenso wie das Mannsein – heilig ist. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die diesem Heiligen auf eine entspannte, selbstverständliche Art huldigt.
Ich will mit meiner Empfindsamkeit und meinen anderen weiblichen Eigenschaften gesehen werden. Das ist möglich mit einem Humor, der meinem Intellekt schmeichelt, der ebenso kreativ wie witzig ist. Der auf meine positiven Qualitäten anspielt, statt sich an Missgeschicken zu ergötzen, mich wie ein Dummerchen zu behandeln oder sich über meine Ängste lustig zu machen.
Einem selbstbewussten Mann fällt auch kein Zacken aus seiner Königskrone, wenn er mir nach den Tagliatelle sagt, dass er sich freut, mich zum Abschluss des Abends in der Bar um die Ecke noch auf meinen Lieblingswhiskey einzuladen.
Da richte ich mein Diadem und bin sofort dabei! Beim ersten Rendez-vous ebenso wie nach zwanzig Jahren Ehe.
Wie es das heilige Weibliche gibt, gibt es auch das heilige Männliche. Und genauso, wie das ursprünglich Weibliche systematisch zerstört wird, wird auch das ursprünglich Männliche unterdrückt. Ich nehme in obigem Beitrag deshalb die Sicht der Frauen ein, weil ich selber eine bin und aus eigener Erfahrung sprechen kann.
Dabei bin ich mir sehr wohl bewusst, dass es auch Männer gibt, die unter erniedrigender Kommunikation ihrer Frau leiden. Weil auch Generationen von Frauen traumatisiert sind und nicht gelernt haben, sich selbst zu lieben.
Gleichermassen gibt es viele Männer, die ihre Frau würde- und liebevoll behandeln. Euch widme ich diesen Blog! Und danke euch, dass ihr als Vorbild wirkt, wenn wir beginnen, unser Verhalten zu reflektieren und uns wieder zu Liebe und wertschätzender Kommunikation hinzubewegen.