Worte sind aufschlussreich. Gerade das familiäre Umfeld bietet reichlich Gelegenheiten für Erkenntnisse über uns selbst, wenn wir unsere eigene Sprache hinterfragen.

Das gilt etwa in Situationen, in denen wir unser Kind zur Fremdbetreuung abgeben – oft mit einem schlechten Gewissen. Dieses kommt in unserer Sprache zum Ausdruck…

Das Kind abliefern

Ben ging mit zweieinhalb Jahren zum ersten Mal in die Kita. Monatelang kam es zu Dramen, wenn ich mich verabschiedete und er sich schreiend an mir festklammerte. Wie sehr litt ich mit ihm!

Das kam in meiner Wortwahl zum Ausdruck: Ich „lieferte ihn“ in der Kita ab und hatte dabei tatsächlich das Gefühl, ihn ans Messer zu liefern. Selbst heute, sechs Jahre später, bringen wir Ben und Mia zu meiner Mutter und „lassen“ sie anschliessend da.

Bringen wir Ben und Mia zu meiner Mutter – oder bei ihr „vorbei“?

„Lassen“ ist ein Wortbestandteil von „verlassen“, „hinterlassen“ und „zurücklassen“. Wir wissen, dass es ihnen bei meiner Mutter bestens gefällt. Dennoch macht sich in unserer Sprache ein kleiner Rest von schlechtem Gewissen bemerkbar.

Dazu passt, dass wir die Kinder bei ihr „vorbei“ bringen. Dabei wollen wir sie doch zu ihr fahren – und nicht an ihr vorbei. Oder?

 

 

Oma steht „Gewehr bei Fuss“

Beim Schweizerischen Roten Kreuz hielt ich unlängst ein Referat zu wertschätzender Sprache. Ich thematisierte dabei die weit verbreitete Kriegsrhetorik, die sich in alltäglichen Formulierungen verbirgt.

Nach dem Vortrag kam eine Teilnehmerin sichtlich irritiert zu mir. Sie erzählte mir, dass sie in der Familie oft davon sprechen, dass die Oma „Gewehr bei Fuss steht“, wenn sie zu den Kindern schaut. Ihr war zum ersten Mal bewusst geworden, wie bedeutungsschwer diese Formulierung ist.

Es geht auch anders

Zu all diesen Aussagen gibt es Alternativen, die positive Gefühle wachrufen. Das geht etwa, wenn wir aus Sicht der Kinder sprechen: „Ihr dürft heute die Grosseltern besuchen.“ Oder wir nehmen die Perspektive der betreuenden Person ein: „Tante Klara wird heute für euch da sein“ oder „Onkel Rolf freut sich darauf, morgen den Tag mit euch zu verbringen“.

Auch die Kita wird zu einem Ort der Freude, wenn wir sagen: „Morgen darfst du in der Kita wieder mit deinen Freunden spielen“.

Mit diesen Formulierungen bekommen Kinder mit, dass wir uns mit unserem Handeln gut fühlen und sie unsere Abwesenheit freudvoll erleben dürfen. Das wird letztlich auch uns – und unser Gewissen – beruhigen.

 

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