«Ich finde auch, dass … – oh stimmt, der blaue Dinosaurier ist nicht mehr da … – ja eben, ich finde, dass es zurzeit herausfordernd ist, …. – oh nein, der grüne fehlt auch? Dann werden wir ihn gleich zusammen suchen … – jedenfalls, dass es herausfordernd ist, bei der Sache zu bleiben.»

 

Sätze wie diese höre ich manchmal während Telefongesprächen mit befreundeten Müttern. Auch für mich als Adressatin solcher Aussagen ist es dann herausfordernd, bei der Sache zu bleiben.

Ich weiss selbst, wie es mit Kindern ist – besonders, wenn sie noch klein sind. Sie fordern die volle Aufmerksamkeit ihrer Mütter und Väter. Grenzen gibt es dabei kaum. Wollen Sohn oder Tochter etwas erzählen, dann tun sie das. Das Handy am Ohr der Eltern stellt dabei kein Hindernis dar.

Als Mutter kleiner Kinder gewöhnte ich mir bald einmal an, meine Anrufe in kinderfreien Zeiten oder Räumen zu tätigen. Für mich ist es wichtig, über eigenen Freiraum zu verfügen – auch während eines Telefonats. Es überfordert mich, zwei Dialoge gleichzeitig zu führen.

Bei mentalen Pingpongspielen schaltet unser Hirn ab

Auch als Zuhörerin solcher mentaler und verbaler Pingpongspiele bin ich überfordert. Am anderen Ende des Drahts versuche ich zu sortieren: Welche Aussage ist nun an mich adressiert, welche an das Kind? Werde ich noch wissen, wie der Anfang des Satzes war, wenn dieser schliesslich seine Fortsetzung findet? Wie lange dauert es noch, bis ich den Gedankengang zu Ende hören darf?

Abgesehen davon, dass ich mich dabei wie auf dem Abstellgleis fühle, ist dies für meine Aufnahmefähigkeit verheerend.

Mein Hirn schaltet ab, wenn jemand auf diese Weise mit mir kommuniziert. Das gilt übrigens für uns alle. Unser Hirn verbraucht zwanzig bis dreissig Prozent der gesamten Glukose, die unser Körper produziert. Diese wertvolle Energie setzt es nur dann ein, wenn es sich lohnt – wenn also die Chance besteht, dass es den Ausführungen anderer bis zum Schluss folgen kann.

Sonst geht der sprichwörtliche Laden runter.

Geteilte Aufmerksamkeit führt zur Erschöpfung

Wir tun gut daran, es unserem Hirn gleich zu tun und unsere Energie gezielter einzusetzen. Gerade solche Mehrweggespräche rauben mehr Energie, als sie geben.

In meiner Wahrnehmung betrachten es besonders Mütter als Zeichen der Wertschätzung, ihrem Kind überall und zu jeder Zeit Aufmerksamkeit zu schenken. Auch, wenn sie gerade mit jemand anderem ein Gespräch führen.

Für mich ist das Resultat das Gegenteil von Wertschätzung. Denn auf diese Weise werden sie niemandem gerecht: Weder dem Kind noch den GesprächspartnerInnen – und vor allem nicht sich selbst.

Ich habe schon oft erlebt, dass genau die Mütter, die mit ihrer Aufmerksamkeit überall sein wollen, am Ende erschöpft auf der Strecke bleiben. In diesem Sinn ist eine gleichermassen liebevolle und klare Ansage an den Nachwuchs wertschätzender, als stetig zur Verfügung zu stehen: «Bitte geh und spiel in deinem Zimmer, solange ich telefoniere. Ich werde anschliessend zu dir kommen.»

Antworten und präsent sein sind zwei verschiedene Dinge

Der Irrtum mag auch darin bestehen, eine Antwort mit Präsenz zu verwechseln. Ich kann wohl versuchen, mehreren Menschen innerhalb einer Minute eine Antwort zu geben. Wahre Präsenz jedoch erfordert meine ungeteilte Aufmerksamkeit während eines längeren Zeitraums.

Das empfinden Menschen als wertschätzend. Diese Präsenz ermöglicht es uns erst, unser Gegenüber wahrhaft zu sehen. Diese Präsenz erst kann einem Dialog Tiefe geben. Diese Präsenz nehmen unsere Spiegelneuronen wahr. Bei einer Gespräch mit dieser Präsenz stösst unser Körper das Wohlfühlhormon Oxytocin aus. Diese Präsenz schmeichelt unserer Seele. Mit ihr machst du Menschen das grösste Präsent.

In der Zwischenzeit kommt der blaue Dinosaurier bestimmt von alleine wieder zum Vorschein…