Eine Kundin hat mich diese Woche gefragt, was der Unterschied zwischen Lob und Wertschätzung sei.
Die Frage ist wichtig! Und ich diene gerne mit einer Antwort:
Lob: Ich stelle mich über dich, indem ich dich beurteile
In einem Lob kommt immer ein ungleiches Verhältnis zum Ausdruck. Die Lob aussprechende Person stellt sich über die Person, die das Lob erhält. Das geschieht, indem sie sich das Recht herausnimmt, die andere Person oder deren Leistung zu bewerten. Sie nimmt – wenn auch positiv – eine Beurteilung vor: Dein Pullover ist schön, du hast einen feinen Kuchen gebacken, das hast du gut gemacht!
Das ist gut gemeint, wirkt jedoch subtil herablassend. Spür mal nach: Wie fühlst du dich, wenn dir jemand gönnerhaft auf die Schultern klopft?
⇒ Auf der sprachlichen Ebene erkennst du ein Lob daran, dass es oft mit «Du (dich / dir) …» beginnt.
Beispiel: «Du hast die Folien sehr gut präsentiert. Ich bin überrascht, dass du dich so schnell ins Thema eingearbeitet hast – bravo!»
Wertschätzung: Ich teile meine Beobachtungen auf gleichwertiger Ebene
Eine Wertschätzung hingegen bringt die eigene (positive) Wahrnehmung einer Leistung oder Begebenheit zum Ausdruck. Zudem stellt sie diese Beobachtung oft in einen erweiterten Zusammenhang. Das funktioniert unabhängig von Hierarchien und Rangordnungen.
⇒ Eine wertschätzende Anerkennung beginnt häufig mit «Ich (mich / mir) …».
Beispiel: «Mich hat eben beeindruckt, wie du die Folien präsentiert hast. Ich stelle es mir herausfordernd vor, sich so schnell in ein Thema einzuarbeiten. Umso mehr freue ich mich mit dir über diesen Erfolg!»
Anerkennung in drei Schritten
Der Coach und Autor Roman Braun empfiehlt, eine wertschätzende Anerkennung in drei Schritten vorzubringen:
- Sag konkret, WAS die andere Person gut gemacht hat. Also nicht „Du bist gut“, sondern „Es hat mich beeindruckt, wie du …. gelöst hast».
- Erkläre, was die als positiv gelobte Handlung für das Unternehmen oder den Arbeitsprozess bedeutet: «Dank deines Beitrags haben wir das gewünschte Ergebnis erreicht und ausserdem Zeit gewonnen.“
- Äussere ein ernst gemeintes Gefühl: „Ich bin glücklich über dieses Resultat.“
Wertschätzung ist ein Motivationsfaktor par excellence – und Mangelware!
Eine solch wertschätzende Anerkennung motiviert Mitarbeitende mehr als jeder Fringe Benefit! Mehr noch: Viele halten regelmässige Wertschätzung für einen relevanten Gesundheitsfaktor von Mitarbeitenden.
Doch Erhebungen zeigen, dass diese viel zu selten erfolgt: Zwischen zwei anerkennenden Feedbacks liegen gemäss einer Erhebung durchschnittlich zweieinhalb Monate – bei dienstälteren Mitarbeitenden ist diese Spanne sogar noch grösser (siehe Kasten)!
Diesen Umstand schätzen Mitarbeitende und Führungskräfte jedoch ganz anders ein: Während zwei Drittel der Mitarbeitenden der Meinung sind, nur selten Anerkennung zu erhalten, behaupten über achtzig Prozent der Führungskräfte das pure Gegenteil (siehe Kasten).
Häufige Anerkennung? Ja – aber richtig!
Zusammenfassend gilt:
Spar dir Lob – und sprich stattdessen wertschätzende Anerkennung aus. Das darf gerne bewusst und regelmässig sein.
Und: Diese Anregung gilt nicht nur für Führungskräfte, sondern auch für Eltern – und überall dort, wo Menschen in Beziehung stehen.
Wem magst DU heute eine wertschätzende Anerkennung aussprechen?
Es hapert mit der Wertschätzung durch Führungskräfte
Eine Erhebung des «Kraftwerks Anerkennung» bei 200 Mitarbeitenden aus Österreich und Deutschland (2014) hat Interessantes zu Tage gefördert:
- Im Schnitt vergaben die Befragten 4 von möglichen 10 Punkten für ihre Zufriedenheit mit der Wertschätzung am Arbeitsplatz.
- Fast 60 Prozent der Befragten gaben an, nur einmal im Monat oder seltener am Arbeitsplatz Anerkennung oder Lob zu erfahren.
- Im Schnitt liegen 75 Tage zwischen zwei positiven Feedbacks zur eigenen Arbeitsleistung.
- Bei Mitarbeitenden, die seit mehr als 10 Jahren im selben Unternehmen beschäftigt sind, ist diese Zeitspanne noch grösser: Sie warten mehr als 100 Tage auf Anerkennung.
- Die Eigen- und Fremdwahrnehmung klafft auseinander: 67 Prozent der Mitarbeiter, die der Meinung sind, nur selten Anerkennung zu erhalten, stehen 81 Prozent der Führungskräfte gegenüber, die das Gegenteil behaupten.
- Wertschätzendes Feedback darf eingehend sein. Ein simples „Danke“ wird als wenig wertschätzend empfunden – auch, wenn Führungskräfte dies anders sehen.
- 9 von 10 Befragten wünschen sich Maßnahmen für mehr Anerkennung im Unternehmen – und wären auch bereit, diese aktiv zu unterstützen!
- Wer von seinem Vorgesetzten häufig Anerkennung und Lob erfährt, zeigt dieses Verhalten doppelt so häufig wie der Durchschnitt. Das gilt auch im Umkehrschluss: Wer selbst wenig positives Feedback erhält, geizt damit auch bei anderen.
Quelle: «Der feine Unterschied zwischen Lob und Anerkennung» – Karriere-Blog von Karriere.at